EN
This paper is a defence of the conception of forgiveness as a reciprocal action. This claim, though often taken for granted, deserves close examination. For J. Derrida, for instance, true forgiveness follows hyperbolic ethics, i.e. the ethics of “abundance” or “over-abundance” in which forgiveness is conferred unconditionally, regardless of the offender’s acknowledgement of his/her guilt. Contrary to this standpoint, and drawing on V. Jankélévitch and P. Ricœur, as well as on current debates on forgiveness, the paper tries to show that although guilt is transcended infinitely by forgiveness and its generosity, the forgiveness itself still must have a sense. And the latter is dependent on a personal face-to-face relationship between the one conferring forgiveness and the offender.
DE
Gegenstand des Aufsatzes ist die Verteidigung der These, dass die Vergebung ein auf Reziprozität beruhender Akt ist. Diese Behauptung ist nicht so selbstverständlich, wie es scheinen könnte. In den Intentionen der Überlegungen z. B. von J. Derrida wird die wahre Vergebung von der hyperbolischen Ethik geleitet, d.h. von der Ethik „des Überflusses“, des Übermaßes, die unbedingt verzeiht und zwar ungeachtet dessen, ob der Schuldige seine Schuld bekannte oder nicht bekannte. Im Gegensatz zu dieser Ansicht und ausgehend von Ansätzen von V. Jankélévitch, P. Ricœur, aber auch von aktuellen Diskussionen über die Vergebung soll mit dem vorliegenden Beitrag aufgezeigt werden, dass die Vergebung mit ihrer Großzügigkeit zwar die Schuld unendlich überschreitet, dabei aber Sinn haben muss. Und dieser Sinn ist bedingt durch die persönliche Beziehung „von Angesicht zu Angesicht“ zwischen dem Vergebenden und dem Schuldigen.