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Obwohl die Philosophen und Theologen schon früher die These der endgültigen Entscheidung verteidigt haben, ist jedoch L. Boros einer der besten geistlichen Vertreter dieses Todeskonzeptes. Man betrachtet ihn heutzutage als den meist repräsentativen Autoren der Endentscheidungshypothese. Die Konzeption von Boros hat einen Umbruch in der katholischen Theologie der Gegenwart eingeleitet, indem sie allein eine Frage stellt, die den Todesmoment betrifft. Man fing an, sich auf den Moment des Todes zu konzentrieren und an ihn den Begriff des sofortigen Wechsels anzupassen, in dem die nachstehenden und vorhergehenden Momente ineinander greifen und eine Gesamtheit bilden. Das war eine von zahlreichen Voraussetzungen, die den Tod als persönliches Erlebnis ergreift. In seinem Werk Mysterium mortis stellt Boros allgemeine Grundlagen der Hypothese dar. In späteren Bearbeitungen und Artikeln befasst er sich ausführlicher mit dieser Hypothese. Boros versteht den Tod auf folgende Weise: Der Tod ist eine Möglichkeit der endgültigen Entscheidung, in der sich der Mensch für oder gegen Gott erklärt. Der Mensch erlebt in seinem menschlichen Dasein sehr viele Momente, in denen er Entscheidungen treffen muss. Er ist jedoch noch nicht imstande, die endgültige Entscheidung zu treffen, weil er noch nicht eine vollkommene Person ist. Diese Vollkommenheit kann der Mensch erst im Moment des Todes erreichen, also erst dann, wenn das Zeitliche die Ewig- keit auf feste und unwiderrufliche Weise berührt. Zum ersten Mal in seinem bisherigen Leben erreicht der Mensch den Zustand voller Freiheit und Bewusstseins. Der Tod ist der höchste Akt des menschlichen Bewusstseins und der menschlichen Freiheit, was besonders die deutsche theologische Gegenwartsliteratur sehr deutlich betont. Ihrer Ansicht nach verwirklicht sich die menschliche Handlung ausschließlich in der Freiheit. Im Sterben ist sie der Höhe-punkt der Freiheit. Der Akt, der das Leben beendet, ist auf eine gewisse Weise ein freier Akt, weil er eine Zusammenfassung aller vorherigen Entscheidungen des Menschen ist. Der Mensch, der alles, was seine bisherige Freiheit einschränkte und seinen Verstand verdunkelte, loswird, kann vollkommene und persönliche Entscheidungen treffen. Im Moment der endgültigen Entscheidung kann der Mensch das erste Mal vollkommen frei sein. Also erst im Sterben, wenn menschliches Dasein mit allem, was es nur unbewusst vollbrachte, konfrontiert wird, trifft der Mensch eine Entscheidung gegenüber Gott in dem ganzen, unein- geschränkten Raum seiner Entscheidungsmöglichkeiten, in voller Macht seiner Fähigkeiten sowie in voller Freiheit. Das Äußerste muss also seinen Grund in einer freien, persönlichen und endgültigen Entscheidung haben. Die theologische Gegenwartsliteratur, besonders die deutsche theologische Gegenwartsliteratur, betont sehr deutlich, dass der erste, völlig persönliche Menschenakt zugleich ein existenziell privilegierter Ort der völlig freien Entscheidung in Bezug auf Gott ist. Der Mensch, der sich in diesem metaphysischen Ort befindet und vom „Kosmischen“ Jesus Christus umgefasst ist, stellt sich vor den Erlöser. Jetzt ist er imstande, eine völlig freie und bewusste Entscheidung zu treffen. Der Moment des Todes als das überzeitliche Zentrum zwischen dem Vergänglichen und der Ewigkeit ist der Moment der endgültigen Entscheidung, also des ausführlichen Gerichts. Das endgültige ausführliche Gericht ist somit eine endgültige Entscheidung eines Menschen im Todesmoment. Diese Entscheidung ist also eine Synthese aller Entschlüsse eines Menschen, insofern die Entschlüsse frei und bewusst waren. Der Tod ist also der vollpersonale Akt des Menschen. Dieser Akt drückt allen Taten des ganzen menschlichen Lebens einen Stempel auf. Letztendlich ist er eine Affirmation des Menschen gegenüber Gott. Somit kann man feststellen, dass jeder Mensch erst dann den Tod versteht, wenn er bewusst stirbt, wenn er den Tod als einen persönlichen Akt angenommen hat, also als die Begegnung des menschlichen „ich“ mit dem göttlichen „Du“.