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In den Jahren 1932 - 1935 waren auf dem Burgwall von Lednica Ausgrabungsarbeiten geführt. Ihr Ergebnis war die Entdeckung einer Skelett-Grabstätte datiert auf das 12.-14. Jahrhundert, Die während des Krieges verlorengegangene Dokumentation erschwert die genaue Festlegung der Chronologie und Ausweitung der Grabstätte. Unter den nach dem Kriege geretteten 708 altertümlichen Gegenstanden befindet sich auch eine braune Plakette mit Adlervorstellung (Abb. 1). Es ist ein kleiner dreieckiger Schild mit 4,8 cm Höhe und 1,9 cm Breite, mit zwei symmetrisch angeordneten Öffnungen. Der zentral angebrachter, gewölbt ausgepresster Adler hat seitlich entfaltete Flügel mit nach oben gerichteten Flugelenden. Sein Kopf ist nach rechts gerichtet und der Schwanz dreiteilig. Auf dem Kopf befinden sich drei (?) kleine Vorsprünge. Die ältesten Objekte mit der Vorstellung eines Raubvogels (Adler, Falke u.drgl.) stammen aus dem Ende des 10. Jahrhunderts. Es sind: eine Kaptorga aus Gdańsk (Fund in einer auf Jahre 980 - 1000 datierten Siedlungsschicht - Tab. I, 1) und ein Denar von Bolesław Chrobry (992-1025) (Tab. 11,1). Aus dem 11. Jh. sind bekannt: Bruchstück eines silbernen Schmucks aus Dąbrowa (Schatz aus der Zeit nach 1040) (Tabl. I, 3) und ein hölzerner Talisman aus Wolin (Tab. I, 2). Ikonographische Darstellung des Adlers ist auch auf einem Sakramentar aus Tyniec (Tab.111,1) sowie auf einem für die Zeit die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert datierten Evangeliar von Kraków (Tab.III,2) sichtbar. Im 12. Jh. steigt die Zahl der Kategorien von Objektgruppen mit einem Adlermotiv. Dieses Motiv ist auf einem steinernen Kapitel aus Tyniec, datiert um 1100 (Tab.IV, 1), auf einer Münze - in einer symbolischen Szene (Tab.II,2) und selbsständig (Tab.II,3). Für die Zeit vor 1161 ist datiert die Kollegiatkirche in Tum bei Łęczyca, wovon ein Wandgemälde (Tab.V, l) und ein Säulenknauf im Portal (Tab.IV, 2) bekannt sind. Das Adlermotiv tritt auch auf der hinteren Seite des auf Jahre 1160 - 1179 datierten Anastasia-Evangeliars (Tab.IV,1) sowie auf einer Schachfigur aus Czersk (Tab.1,11) vor. Im 13. Jahrhundert tritt eine neue Quellenart auf u.zw. Siegel (Tab.VII). Das älteste Siegel mit Adlerdarstellung stammt aus dem Jahre 1222. Auf der Mehrzahl der Siegel ist das Adlermotiv eines der darauf bestehenden Elemente; eine Ausnahme ist das Siegel aus dem Jahre 1227 (Tab.VIII,5). Aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen die in Szczecin und Wrocław gefundenen ajourartigen, verzierten Beschläge (Tab. I, 4, 5, 6, 7). Auch aus Wrocław stammt ein Lederfragment mit eingeprägtem und vergoldetem Adler (Tab. I, 8). Auf denselben Zeitabschnitt ist der Schlussstein in(der Kirche in Koprzywnica (tab. IV,3), ein Kapitel in Lubiąż (Tab. IV,4) und ein Schnitzwerk auf dem Tympanonhinterteil einer Kirche in Stary Zamek (Tab.IV,5) datiert. Eine andere ikonographische Gruppe aus diesem Jahrhundert bilden Adlervorstellungen als Ausmalungen in liturgischen Bücheren (Tab.III, 3-8). Ein ähnliches Motiv ist in der Kirche in Mościsk zu sehen und auf dem Ornat, sog. Ornat der hl. Hedwig, ist ein gestickter Adler bekannt (Tab.VI.2). Im 13. Jh. tritt er auch auf Münzen sowie auf einem Tonscheibe-Fragment aus Wrocław (Tab. I,13) vor. Eine Adlerdarstellung beginnt im 13. Jh. auch auf Schwerten sichtbar zu werden. Aus den Jahren 1247-1253 stammt ein Schwert auf dessen Griff ein schematischer Adler im doppelten Kreis zu sehen ist (Tab.VIII,2). Dagegen auf dem sog. ’Szczerbiec’-Schwert (vor 1248) sind Adler auf dem Griff, Korb und zusätzlich auf einer auf dem Griff befestigter kleinen Tafel (Tab.VIII, 5 - 7) dargestellt. Im 18. Jh. wurde vom ’Szczerbiec’ noch eine Adlerabbildung nachgezeichnet (Tab.VIII,8). Die übrigen Adler sind aus Schwerten aus dem 14. und 15. Jh. bekannt (Tab.VIII, 1, 3, 4, 9). Im 14. Jahrhundert beginnt in Schlesien das Adlermotiv auf steinernen Grabskulpturen aufzutreten (Tab.IX). Grosse Zahl von Adlerdarstellungen bieten sphragistische Quellen sowie Miniaturmalerei. Einzelne Beispiele stammen aus der Kirche in Czachów (Tab.V,2), von Gegenständen aus Opole von unbestimmter Funktion - Münzen(?) (Tab.1,9) und Deckel (Tab.I, 10) sowie vom Ledereinband aus Międzyrzecz (Tab.1,12). Bei Bestimmung der Chronologie der kleinen Plakette aus Lednica ist sowohl die Form des Täfelchens wie auch die Art der Adlerdarstellung zu beachten. Die Täfelchengestalt aus Ostrów Lednicki sowie der darauf dargestellter Adler knüpfen an Motive aus dem Ende des 13. Jh. und dem Beginn des 14. Jahrhunderts. Die Art der Flügeldarstellung, die Vorsprünge auf dem Adlerkopf, knüpfen insbesondere an Siegel des Bernard Świdnicki (1307 - 1325) und die des Przemysł den II. (Tab.VII, 1, 3, 6). Dies gestattet ihre Entstehungszeit auf die Hälfte des 14. Jahrhunderts festzulegen. Die Plakette konnte als Kleidungszierelement dienen (Beschlag eines Gurtes, einer Mutze, Spange). Wahrscheinlicher ist, dass sie ein Emblem auf einer Schwertscheide war. Ansichten über den Adler als Wappen gestalteten sich unter Einfluss von Legenden aus dem 15. Jh. Das wissenschaftliche Interesse am Adlerwappen beginnt sich in Polen im 19. Jh. zu entwickeln. Mehrzahl der Hypothesen leitet dieses Wappen aus dem Landeswappen der Provinz Kraków oder aus dinastischem Wappen, das als Symbol der obrigkeitlichen (fürstlichen, königlichen) Herrschaft, im 13. Jh., im Zusammenhang mit den Vereinigungsprozessen, angeeignet wurde, ab. Das Funktionieren des Adlersymbols und seine Aneignung als Staatswappen scheint ein wesentlich weiteres Problem zu sein. Spuren heidnischer mit dem Adler verbundener Glauben, Sagen und Kulten überdauerten nur in Restformen. Wir finden sie in slawischen und heraldischen Legenden. Die im 10. Jh. kommende neue Religion schloss den Adler als Kultuselement nicht aus. Er ist das Symbol des Evangelisten Johannes und auch von Christus selbst. Die elitäre Kultur des frühen und späteren Mittelalters war durch kirchliche Doktrin beherrscht. Die Kunst hatte zwei Aufgaben - eine dekorative und als Träger von Ideen. Fast jeder Gegenstand hatten neben seiner praktischen Verwendung auch eine symbolische Bedeutung. Das Funktionieren des Adlersymbols scheint auf den Beginn europäischer Zivilisation zurückzugehen. Deshalb scheint eine Einengung der Adler-Wappenzeichen-Problematik bei polnischen Fürsten lediglich zur Übernahme kultureller byzantinischer Einflüsse bzw. westeuropäischer ritterlicher Symbolik, unrechtmässig zu sein. In jeder Epoche werden Zeichen der Macht, des Muts, der Herrschaft in umgebender Tier – und Pflanzenwelt gesucht und in die ihr eigentümliche symbolische Sprache übersetzt. Bei Auswahl bestimmter Symbole spielt, neben militärischen (militärisches Erkennungszeichen) und ideologischen (religiösen ind politischen) Elementen, auch die Literatur (Legenden und Heiligenleben des hl. Adalbert, der hl. Hedwig und des hl. Stanislas) eine nicht unwesentliche Rolle. Die endgültige Heraldisierung des Adlers und seine Umwandlung in den Wappen Polens erfolgte unter Einfluss des dynastischen Faktors und der Vereinigungsideologie.