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Der Ostrów Lednicki gehörte zur Zeit der Herausbildung des frühen Piastenstaates zu einer Gruppe von einigen Hauptburgen; zugleich erfüllte er auch die Funktion einer Residenz des Monarchen. Im Bereich der Lednica’er Burg wurde gegen Ende des 10. Jh. ein monumentaler Palast erbaut, welcher mit einer Kapelle und einer kleineren Kirche (der sog. II. Kirche) verbunden war; außer den Funktionen, welche den Rituszwecken dienten, erfüllte diese Kirche auch die Funktion einer Nekropole. Diese präromanische Kirche, deren Entstehung gegen Ende des 10. Jh. die neuesten archäologischen Forschungen bestätigt haben, mit einem quadratischen Schiff und rechteckigem Presbyterium sowie den von der Nordseite angebauten drei Annexen, wurde in der Bauweise opus incertum aus Sandstein und Granitstein errichtet. Die Mauern der Kirche waren verputzt, der Fußboden war aus Kalkstein. Im Innenraum des Kirchenschiffes wurden zwei steinerne Grabmale aufgestellt. Das größere von ihnen befindet sich an der Nordseite des Schiffes, das kleinere an der Südseite. Das große Grabmal (seine Außenmaße betragen 22,65 x 1,25 m) besaβ. Wände von einer Höhe bis zu 80 cm, mit Mörtel aus Kalk und Gips zusammengefügt, aus Sandstein und Kalktuff errichtet. Es war mit einer Kalkplatte zugedeckt. In seinem Inneren wurden die sterblichen Überreste eines Erwachsenen gefunden, welcher in einem Sarg begraben wurde, von dem nur eiserne Beschläge erhalten geblieben sind. In einer Entfernung von 3 m südlich von diesem Grabmal wurde das kleinere Grabmal aufgestellt, dessen Maβe 1,7 x 1,0 m betrugen; sein Wände waren hauptsächlich aus Sandstein errichtet und mit Gipsmörtel zusammengefügt. Dieses Grabmal hatte einen Fußboden aus Kalkstein und war von oben mit einer Platte zugedeckt (ebenfalls aus Kalkstein). In seinem Inneren entdeckte man Reste eines Sarges, einen goldenen Ring und zahlreiche Sargbeschläge sowie Bronzeklümpchen (vgl. Annex). Es fehlten dagegen die Überreste des Bergrabenen. A. Nowak, Entdecker der Grabmale, verbindet die in den Grabmalen begrabenen Personen mit der privilegierten Schicht aus der Zeit vor der Zerstörung der Kirche in den Jahren 1038/39. W. Hensel verbindet sie mit der Dynastie der Piasten, und G. Labuda wollte in dem kleineren von den beiden Grabmalen das Grabmal des Sohnes von Bolesław Chrobry und Przedsława, einer ruthenischen Prinzessin sehen, die 1018 vom polnischen König aus Kiew entführt worden war. Die Plazierung der beiden Grabmale inmitten des Kirchenschiffes, ein Brauch, den die Piasten aus dem Gebiet des deutschen Kaiserreiches übernahmen, in medio ecclesiae, coram altari, läβt den Author die begrabenen Personen mit der herrschenden Dynastie verbinden, genauer gesagt mit der dritten Generation der Piasten, d.h. mit den Nachkommen von Bolesław Chrobry, dem Bezprym also oder dem Otto (das große Grabmal), und das kleinere Grabmal mit einem quellenbezogen nicht nachgewiesenen Kind aus dem Piastengeschlecht. Die drei anderen Begräbnisstätten im Schiffsannex untergebracht und eine im Presbyteriumsannex an der Südseite gelegen, erkennt der Autor als Überreste von Anhängern eines hier begrabenen Fürsten, die kurz nach 1032-1033 (also den quellenbezogen nachgewiesenen Daten des Todes von Bezprym und Otto), in der stürmischen Periode dynastischer Kämpfe um die Erbfolge nach Bolesław Chrobry, umgekommen waren. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daβ die Auffassung bezüglich der in den Grabmalen begrabenen Personen mit der frühen Chronologie der Kirche und der frühen Aufnahme der Ottonschen Neuererströmung übereinstimmt, die in der Plazierung der Begräbnisstätten inmitten der Kirche und in der Nähe des Altars ihren Ausdruck fand, wobei es sich um Begräbnisse von Personen handelte, die den Herrschern nahe standen oder auch um Kirchengründer. Die II. Kirche auf dem Ostrów Lednicki kann als eine frühe dynastische Stiftung der Piasten angesehen werden, eine der ersten auf polnischem Boden, welche gleich nach den Domen von Gniezno und Poznań einzureihen ist.