Full-text resources of CEJSH and other databases are now available in the new Library of Science.
Visit https://bibliotekanauki.pl

PL EN


2008 | 4 | 232-339

Article title

Zwiespältiges erbe, Dissens und Brückenschläge - Gedenkkultur, Politik und Yertreibungsdebatte

Content

Title variants

Languages of publication

DE

Abstracts

DE
Die Debatte um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ belastet nun schon seit Jahren die deutsch-polnischen Beziehungen. Überschattet wurde sie von den schwierigen historischen Erblasten, häufig fehlender Sensibilität und Versuchen, sie politisch zu instrumentalisieren. Wir sollten uns jedoch stets vor Augen führen, dass es nicht das eine Deutschland und auch nicht das eine Polen gibt. In beiden Ländern existierten gravierende Vorbehalte, politisch wie mental. Aber es zeigten sich auch viele positive Ansätze von Verständigung, Kooperation, Aussöhnung und guter Nachbarschaft. Das galt selbst für das heikle Thema von Zwangsmigration und Vertreibung.Eine in sich konsistente, richtungsweisende Geschichtspolitik gibt es so in Deutschland nicht, auch nicht bezogen auf Polen. Der innerdeutsche Diskurs um die „Vertreibungsproblematik“ wurde durch die „ethnischen Säuberungen“ auf dem Balkan und Veränderungen in der Gedenk-kultur beeinflusst. Während diese bis dahin vorrangig um die NS-Herrschaft und den Holocaust kreiste, rückten nun auch die Leiden von Deutschen in und durch den von NS-Deutschland entfesselten Krieg in den Fokus. In anderen europäischen Ländern, besonders in Polen, stieß dies auf Unverständnis und Verärgerung. Das von Erika Steinbach und dem BdV verfolgte Ziel eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ verstörte nicht nur viele in Polen, auch in Deutschland überwogen die Vorbehalte. Die rot-grüne Regierungskoalition unter Gerhard Schröder distanzierte sich von dem problematischen Vorhaben. Sowohl Bundesregierung wie Bundestag (2002) und die beiden Staatspräsidenten von Deutschland und Polen (Danziger Erklärung 2003) sprachen sich stattdessen für ein übergreifendes europäisches Konzept und einen offenen deutsch-polnischen Dialog aus. Die politische Wende erfolgte durch Angela Merkel (CDU), die als Bundeskanzlerin ein modifiziertes, nationales Konzept des Steinbach-Projektes durchsetzte. Verärgerungen in Polen nahm sie in Kauf. Der Regierungswechsel in Polen (2007) führte zu einer gewissen Entkrampfung. Im März dieses Jahres fiel die Entscheidung des Bundeskabinetts für ein Dokumentationszentrum in Berlin.Die Chance, eine zwischen beiden Ländern problematische Thematik, sensibel in einem europäischen Kontext anzugehen, wurde vertan. Dabei gibt es viele gute Beispiele einer fruchtbaren, vertrauensvollen Zusammenarbeit und eines partnerschaftlichen Miteinanders von Polen und Deutschen. Auch beim strittigen Komplex Zwangsmigration und Vertreibung gab es sowohl auf der gesellschaftlichen wie auch auf der staatlichen Ebene ernsthafte, gewichtige Stimmen, die sich für ein verbindendes Gedenken an die Schrecken des Krieges und seiner Folgen einsetzten. Eine solche Europäisierung der Gedächtniskultur konnte eine Brücke zwischen beiden Ländern bilden, bei der Geschichte nicht nur Last war, sondern zugleich als Chance gesehen wurde. Diese Bestrebungen markierten den wohl unstreitig besseren Weg in die Zukunft einer nicht trennenden, sondern verbindenden Erinnerungskultur. Politik, Medien und die Menschen in beiden Ländern sollten daraus ihre Lehren ziehen. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind trotz mancher Irritationen besser und stabiler, als sich das viele früher hätten erträumen können. Die Bürger beider Länder sind dabei offenkundig oft weiter als einige Politiker und Publizisten, die Zwietracht schüren, statt den aufrichtigen Dialog zu suchen. Dies ist ein hoffnungsfrohes Zeichen für die Kraft einer zivilen Gesellschaft und einer lebendigen Demokratie, die in Frieden und Freundschaft mit dem Nachbarn leben will – in Polen wie in Deutschland.

Keywords

Contributors

  • Komisja Historyczna SPD

References

Document Type

Publication order reference

Identifiers

YADDA identifier

bwmeta1.element.desklight-50ed1f73-a847-467c-abf9-09749d835496
JavaScript is turned off in your web browser. Turn it on to take full advantage of this site, then refresh the page.