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Die Europäische Union steht weiterhin vor der Aufgabe, den östlichen und südöstlichen Teil Europas zu stabilisieren und ihn auf seinem Weg zu Demokratie, guter Regierungsführung und Marktwirtschaft zu unterstützen. Die EU kann das nur tun, indem sie Anreize setzt, die dazu führen, dass die Staaten sich entsprechend der europäischen Werteordnung verändern. Der bislang wirkungsvollste Stimulus war die realistische (und auch eingelöste) Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Diese steht allerdings in der Zukunft nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen zur Verfügung. Damit befindet sich die EU in einem Dilemma: Sie muss offen bleiben für neue Mitglie - der, wenn sie diese europäisieren will, würde aber durch weitere Offenheit genau die Attraktivität verlieren, um derentwillen die Zielländer eine Mitgliedschaft für erstrebenswert halten. Ein Versuch, dieses Problem zu lösen, ist die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP), die anstrebt, die Partnerländer bis kurz vor die Grenze der Mitgliedschaft mit der Europäischen Union zu verbinden. Der frühere Kommissionspräsident Prodi hat dafür die Formel „Everything but institutions“ gefunden. Die bisherigen Ergebnisse der ENP sind allerdings ernüchternd. Die Mitgliedstaaten messen ihr keine große Bedeutung bei und sind daher auch nicht bereit, kurzfristige Nachteile, beispielsweise bei der Marktöffnung, in Kauf zu nehmen. Die Partnerländer fühlen sich vor der Tür gehalten und pochen weiterhin auf eine echte Mitgliedschaftsperspektive. Das Europäische Parlament hat im Juni 2008 einen Beschluss gefasst, der das Dilemma der derzeitigen EU-Europapolitik adressiert und als Lösung neue Zwischenformen in der Grauzone zwischen Mitgliedschaft und Nichtmitgliedschaft vorschlägt. Allerdings verfügt auch das Parlament nicht über ein konsistentes Konzept, sondern wirft lediglich verschiedene Ideen in die Debatte, die auch wissenschaftlich über neue Assoziierungsmodelle geführt wird. In dieser Situation wäre es angeraten, statt der Erfindung neuer Institutionen die vorhandenen internationalen Organisationen daraufhin zu überprüfen, ob die EU mit ihrer Hilfe den Europäisierungsprozess in den Zielländern unterstützen könnte. Hier ist an den Europarat, die OSZE, die NATO, aber auch an Allianzen wie die GUAM, die Regionale Kooperation für Südosteuropa oder gar an Organisationen zu denken, denen die EU-Mitglieder gar nicht angehören, wie das bei der Shanghai Cooperation oder der Euro-Asiatischen Wirtschaftsgemeinschaft der Fall ist. Um zu einer realistischen Beurteilung bezüglich der Eignung der jeweiligen Organisation zu gelangen, muss ein Set von Kriterien an sie angelegt werden. Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Organisation einen über das Deklamatorische hinausgehenden Beitrag leisten kann, wäre als nächstes angezeigt, dass die EU gegenüber dieser Organisation eine Strategie entwickelt.