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Bolesław Chrobry besaβ Mähren etwas weniger als ein Vierteljahrhundert und zwar wahrscheinlich von dem Jahre 1002. Die Schriftsquellen liefern darüber nur sehr durftige Informationen (Kosmas von Prag, Thietmar von Merseburg), welche verschiedene Deutungen zulassen. Prinzipielle Widersprüche dauern besonders bei der Bestimmung der neuerlichen Eroberung Mährens von Přemysliden (1017-1031) und bei der Lokalisierung der „großen Stadt Businc” (Thietmar, lib. VII, 19) fort. Am Anfang des 11. Jahrhunderts hielt Mähren noch immer die selbe Ausdehnung wie der westliche Teil des groβmährischen Kerngebietes in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Seine Südgrenze verfolgte eine Linie von der March längs des Rußbaches und der hohen Terasse Wagram bis zum Böhmerwalde nördlich der Stadt Krems (L. Havlík 1960). Dieses ausgedehnte Land wurde ähnlich wie in groβmährischer Zeit (J. Poulík 1948) in mehreren Regionen gegliedert. In ihrer gesellschaftlichen Struktur spielten noch immer eine bedeutende Rolle die Burgwälle (Č. Staňa 1985; Z. Mĕřinský 1986). Die selbständige Entwicklung der mährischen Gesellschaft wurde im 10. Jahrhundert nach dem Untergang der groβmährischen Zentralmacht auf diesen Burgwällen gegründet. Zum Unterschiede von Schriftquellen, die für Mähren im 10. und am Anfang des 11. Jahrhunderts wenig konkret, zumeist local und zeitlich zu entfernt sind (Konstantinos Porfyrogenetos, Ibrahim ibn Jakub, Kristian von Prag, sog. Gründungsurkunde des Prager Bistums, der mährische Bishof in Mainz den 28. April 976 - CDB I, 34), bieten archäologische Denkmäler, die in konkreten Fundumständen entdeckt und dokumentiert wurden, eine Reihe von wichtigen, besonders örtlich eindeutigen Angaben. Die archäologischen Quellen aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zeigen einen gut sichtbaren Untershied zwischen dem Haná-Gebiet im oberen Marchtal und dem übrigen mährischen Territorium. Die archäologischen Ausgrabungen in Olomouc (J. Bláha, V. Dohnal) belegen im diesen Zentrum einerseits vermehrte Aktivität des Lebens Höchstwahrscheinlich in der Verbindung mit einer Handelstätigkeit am Ende des 10. Jahrhunderts, andererseits Brandschichten aus der Zeit um die Wende des 10. und 11. Jahrhunderts. Also die Entdeckungen in Olomouc mögen eben den doppelten Eroberungskampf der Polen gegen den Böhmischen Staat widerspiegeln und zwar den böhmischen Verlust des Schlesiens („regnum ablatum” zum Jahre 990 bei Thietmar von Merseburg, lib. IV, 12), mit welchem der Aufschwung von Olomouc wie eines Stützpunktes auf dem west-östlichen Handelswege zusammenhängen möchte, und im zweiten Fall Bolesław Chrobry’s Eroberung Mährens. Die evidenten Spuren der polnischen Anwesenheit im Haná-Gebiet stellen die Funde aus dem kleinen Hohenburgwall Zelená Hora (Grünberg) bei Vyškov (ein verzierter Eisensporn und Keramik) vor und besonders die archäologischen Ausgrabungen im Stadtkern von Přerov in den Jahren 1984 - 1986. Der Stadtkern von Přerov (Horní námĕstí - Der Obere Platz und das Schloβ) liegt auf einem kleinen, unregelmäßig ovalen Travertin-Krater, der das Tal des Bečva-Flusses etwa 10 Meter überragt. Die Anhöhe wurde an der Wende der älteren und mittleren Bronzezeit und danach erst in der Slawenzeit höchstwahrscheinlich schon seit Ende des 8. Jahrhunderts besiedelt. Bei der Rettungsgrabung (1984) wurde neben der hl. Georg Kirche hinter den Häusern Horní námĕstí Nr. 8 und 9 eine markante Terrain-Herrichtung aus dem Zeitabschnitt um das Jahr 1000 n.Chr. deutlich erkannt, welche durch eine 10-20 cm mächtige, gelbe, lettige Schicht dargestellt wurde. Unmittelbar auf dieser Terrain-Herrichtung wurden Reste der Holzbefestigung und von einigen Siedlungsobjekten entdeckt. Derweil neben der hl. Georg Kirche nur ungefähr ein inneres Drittel der zwei untersten Holzschichten von der Wallkonstruktion im guten Zustand erhalten geblieben war, wurde hinter dem Haus Horní námĕstí Nr. 21 (1986) der Wallbau mit bis in die Höhe 150 cm gut erhaltenen Holzelementen der Konstruktion fast in der ganzen Breite (750-800 cm) durchforscht. Auf dieser zweiten Stelle konnte man den ursprünglichen Wallkörper bis in die Höhe 250-310 cm über seiner Basis verfolgen. Für die chronologische Einreihung dieser Holzfortifikation spielten eine bedeutungsvolle Rolle vier Holzhäuser mit Teilen der Brettfuβböden, die sich in der Superposition bei der Wallwand neben der hl. Georg Kirche befanden: das älteste, mit dem Flechtwerk in der Wandkonstruktion, wurde zweifellos unmittelbar nach der Entstehung der Befestigung erbaut. Die übrigen drei Häuser waren die Blockbauten. Die drei älteren von diesen Objekten sowie auch der Wallbau wurden durch eine Siedlungsgrube mit einem relativ reichen Keramik-Komplex gestört. Eine kompakte graue Schicht, die einen Schwemmcharakter auswies, überdeckte danach die Siedlungsgrube gemeinsam mit Resten von Wallkonstruktion (die Schwemmschicht repräsentiert vielleicht eine Lücke in der Besiedlung). Ein wichtiger Fund aus der grauen Schicht stellt das Münzgewicht aus Blei dar, auf dessen beiden Seiten derselbe Münzstempel - der Avers-Stempel des mährischen Denars des Fürsten Břetislav des Ersten aus den Jahren 1028 - 1034 geprägt worden war. Es ist also sehr wahrscheinlich, daβ die eindrucksvolle Holzbefestigung in Přerov am Anfang des 11. Jahrhunderts erbaut wurde. Die zwei markantesten Elemente ihrer Konstruktion und zwar die Ausfüllung des Wallkörpers mit den Querbalken verschiedenster Art und die Haken, welche die Waliwänden festmachten, sind die Zeichen dafür, daβ die Wallkonstruktion in Přerov mit dem groβpolnischen Gebiet (Gniezno, Poznań, Ostrów Lednicki u.a.) zusammenhängt. In historischen Schluβfolgerungen nimmt der Verfasser eine Voraussetzung an, daβ in der staatsbildenden Periode des frühen Mittelalters eine Umgestaltung der expansiven beutegierigen Bestrebungen der vorfeudalen Herrscher in die Tendenz neue Territorien zu beherrschen, zustande kam (R. Nový 1972, 142). Die neue Tendenz erwies sich auf zweierlei Art: entweder wie einen Anschluβ der benachbarten Länder, in denen die innere obwaltende Gesellschaftstruktur erhalten blieb, oder wie die Eroberung des Lande, in dem dortige Innenverhältnisse zugrunde gerichtet wurden und der Eroberer eine neue Landverwaltung mit seinen Leuten konstituierte. Der Autor unterstricht auch die Bedeutung der archäologischen Quellen für die Lösung der historischen Probleme. Er bekennt sich zur Konzeption der selbständigen Entwicklung Mährens im 10. Jahrhundert. Er legt Nachdruck auf eine immer mehr vertiefende Differenzierung des Haná-Gebietes und des übrigen mährischen Territoriums südlich von Hostýn-Berge, Litenčice-Нügelland und südwestlich von Vyškov-Furche im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts, welche in der böhmischen Eroberung der Olmützer Region kulminieren möchte (um das Jahr 990). Am Anfang des 11. Jahrhunderts gewann Mähren Bolesław Chrobry, der sehr wahrscheinlich den nördlichen Teil, das Haná- Gebiet, beherrschte. Er begann dorthin seine eigene Machtposition errichten. Einen konkreten Beleg dafür kann man im Aufbau der Holzbefestigung in Přerov finden, welcher vielleicht auch von einer Localkolonisation geleitet wurde. Der Hacksilberschatz aus Kelč, Bez. Vsetín (V. Katz 1940), repräsentiert auch eine Äuβerung des polnischen Milieus. Das übrige mährische Territorium blieb relativ selbständig. Die dortigen Mährer erkannten nur die polnische Oberhoheit an. Wenn man diese Interpretation der mährischen Verhältnisse am Anfang des 11. Jahrhunderts annimmt, kann man ganz gut die Nachricht des Thietmar von Merseburg (Lib. VII. 57, 61) über die militärische Hilfe der Mährer dem Fürsten Bolesław Chrobry in den Jahren 1015 - 1017 verstehen. Nach Konsolidierung des Böhmischen Staates in der Zeit des Fürsten Oldřich nahmen die Přemysliden das Nordmähren zurück ein und erst danach begann unter Leitung von Břetislav dem Ersten der Prozeβ der dauernden Eroberung des ganzen Mährens.