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Nach der Erweiterung der Europäischen Union im Mai 2004 veränderte sich die geostrategische Bedeutung Polens, dessen Ostgrenze zu den direkten Nachbarn Ukraine, Belarus und Russland (Bezirk Kaliningrad) nunmehr die EU-Außengrenze bildet. Für Polen bedeutete diese neue Konstellation eine Änderung seiner Politik und in vielen Fällen auch der Einstellung zum östlichen Nachbarn. Für Deutschland hat sich dagegen geopolitisch nichts verändert. Trotzdem konnte man hier eine gewisse Entwicklung beobachten: Einerseits die Wiederentdeckung des Ostens, andererseits die Sorge, Polen sei mit der Sicherung seiner Grenze im Osten überfordert. Im vorliegenden Aufsatz wird zuerst die Geschichte der polnischen Ostgrenze nach 1945 dargestellt. Die Ostgrenze Polens bildete vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Mitte der achtziger Jahre eine hermetisch abgeriegelte Grenzzone, deren Überschreiten nur unter Inkaufnahme aufwendiger Kontrollen möglich war. In den siebziger Jahren waren die Reisen in den Westen – dank der Einführung einer liberalen Passpolitik – weniger kompliziert als das Überschreiten der polnisch-sowjetischen Grenze. Mitte der achtziger Jahre erfolgte an den Grenzen der Sowjetunion eine Liberalisierung der Grenzvorschriften – Maßnahmen, die mit der von Michail Gorbatschow initiierten Perestrojka verbunden waren. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat Polen vier neue Nachbarn im Osten: Litauen, Russland, die Ukraine und Belarus. Nach 1989 war Polen bestrebt, auch die Grenzen nach Osten zu öffnen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern. Im zweiten Teil soll die polnisch-ukrainische Grenzregion von 1991 bis heute analysiert werden, und zwar in zwei Etappen: die erste beginnt mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks und reicht bis 2004, die zweite umfasst die Zeit nach dem Beitritt Polens zur EU im Mai 2004 und reicht bis in die Gegenwart. In der ersten Phase entwickelte sich die offizielle Zusammenarbeit zwischen Polen und der Ukraine auf den Gebieten der Bildung, Kultur und Wirtschaft durchaus positiv. Doch diese Entwicklung hatte nur eine begrenzte Wirkung auf die Qualität und Intensität der Kontakte in der Grenzregion sowie für die Überwindung von gegenseitigen Stereotypen und Vorurteilen. Die Kontakte zwischen den Einwohnern auf beiden Seiten der Grenze fanden überwiegend im Rahmen von Handelsbeziehungen und Schmuggel statt. In zahlreichen Grenzorten war das die wichtigste Verdienstmöglichkeit für die Einwohner auf beiden Seiten der Grenze. Durch die Einführung von Visumsvorschriften am 1. Oktober 2003 wurde jedoch auch diese fast einzige Form der Begegnung in der polnisch-ukrainischen Grenzregion deutlich eingeschränkt.Seit dem Beitritt Polens zur EU spricht sich Warschau noch eindeutiger als bisher für die Zugehörigkeit der Ukraine zur EU und zur NATO aus. Polen bemüht sich um eine Europäisierung der Ukraine, um zu verhindern, dass es zu ihrer Russifizierung kommt. Trotz vielfältigen Widerstandes innerhalb der EU – auch von Seiten Deutschlands – bildet die europäische Perspektive der Ukraine mit der Möglichkeit ihres Beitritts zur EU das Ziel polnischer Anstrengungen.Vor dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum gab es in der Ukraine die Befürchtung, nun werde eine neue Grenzmauer am Bug errichtet. Tatsächlich kam es nach der Erweiterung des Schengen-Raumes sogar unter West-Ukrainern zu einer Verschlechterung der Einstellung im Blick auf die EU. Bis dahin herrschte in dieser Region eine sehr positive Einstellung gegenüber der EU. Juschtschenko wird vorgeworfen, er habe 2004 für die Europäer die Visumpflicht abgeschafft, ohne für die Ukrainer Erleichterungen auszuhandeln; vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Abschließend werden die Reaktionen in Deutschland auf den Beitritt Polens zum Schengen-Raum analysiert. Die Sorge, ob Polen mit der Sicherung seiner Ostgrenze fertig werde, war in Deutschland groß. Vor allem im östlichen Deutschland, und hier besonders in der deutsch-polnischen Grenzregion, wurden Befürchtungen laut, dass der Beitritt Polens zum Schengen-Raum negative Folgen für die deutsch-polnische Grenzregion haben könne. Beim Abbau dieser Befürchtungen in Deutschland haben die Medien konstruktiv mitgewirkt. Sie zeigten, dass der Beitritt Polens zum Schengen-Raum keine negativen Folgen für die deutsch-polnische Grenzregion hatte und die Kriminalität, die so viele Ostdeutsche fürchteten, nicht zugenommen hat. Im Abbau dieser Befürchtungen kann ein positiver Beitrag zum deutsch-polnischen Nachbarschaftsverhältnis gesehen werden.