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Während der Untersuchungen von Danzig wurde im Jahre 1954, auf dem Gebiet des so genannten Fischerstadtviertels, im Rahmen des 16. Siedlungshorizonts (datiert auf die Jahre 9 8 0 - 1000) ein Lederfragment freigelegt, das als eine Schleuder interpretiert wurde (H. Wiklak 1957; K. Jażdżewski u. an. 1966, Tab. Ib, IX). Trotz seiner Ausnahmezeichen hat dieser Fund (Abb. 1A) keine breitere Erkennung gefunden. Als eine der Ursachen dieser Tatsache ist die ungenügende Anzahl von sowohl archäologischen als auch historischen Vergleichs-Quellenmaterialien zu nennen. Die Anerkennung der Schleuder als eine Waffe erschweren wenige archäologische Funde und lakonische, historische Quellen. Neben den direkten Funden und Informationen können wir auch indirekte Quellen finden, die es zulassen, die Schleuder als gefährliche und wirksame Waffe zu sehen. Auf vielen archäologischen Fundstellen werden Steine mit verhältnismäßig kleinem Durchmesser, von ca. 2 bis 8 cm, freigelegt. Sie haben verschiedene Formen, von ovalen, leicht abgeflachten bis zu kugelähnlichen. Ein Teil von ihnen ist aus Sandstein und hat glatte Oberflächen. Die „Wurfgeschosse” aus Granit haben dagegen weniger reguläre Oberflächen und ihre Form ist den Hühnereiern ähnlich. Neben den genannten sind auch Steine aus Kieselerde mit natürlicher ellipsenähnlicher Form, ohne Bearbeitungsspuren zu treffen. Die aus Sandstein ausgeführten Steine werden oft als Poliersteine verschiedener Art, Unterlagen usw. interpretiert. Die „Kugeln” aus Kieselerde werden meistens zu den Altertümern nicht gezählt, weil es bei ihnen an Bearbeitungsspuren fehlt. Alle diesen Steine konnten jedoch Wurfgeschosse für die Schleuder sein. Die ellipsenähnliche Form ist eben am meisten erwünscht, sie ist für die Kumulation der kinetischen Energie sehr günstig. Die freigelegten, einzelnen „Steinkugeln” sind, natürlich, sehr schwer eindeutig zu interpretieren und deshalb werden sie auch selten mit der Schleuder verbunden. Geringe Anzahl von Lederteilen der Schleuder und sehr seltene Betrachtung der Steinkugeln als Wurfgeschosse bewirken, daß die Rotationsschleuder zur Kampfwaffe nicht gezählt wird. Für die allgemeine Verwendung der Schleuder auf unseren Gebieten sprechen einige Voraussetzungen: ihr allgemeinslawischer Name wird vom Stamm per-; por-; der einen Flug bedeutet, hergeleitet (J. Kostrzewski 1949, S. 294), ihr Gebrauch vom Altertum beginnend und in den europäischen Truppen sogar bis zum 15. Jh. (W. Dziewanowski 1935, S. 101) notiert sowie ihre gegenwärtige Verwendung (K. Moszyński 1967, S. 399-400, Abb. 350 und 351). Außer den Schleierfragmenten aus Leder und Steingeschossen werden bei den Ausgrabungen Riemenstücke mit kleinen Holzfragmenten gefunden. Sie werden meistens als Peitsche bezeichnet (Abb. 2A, 2E) (J. Kaźmierczyk 1991, S. 82; 1993, S. 143; 1995, S. 36, 46 105). Vielleicht haben wir jedoch auch in diesem Falle mit einer Schleuder zu tun. Man kann nicht ausschließen, daß die erwähnten Gegenstände Fragmente eines Holzgriffes (oder eines Griffes aus Leder, wie in Breslau der Fall war) mit einem Riemenstück sind, die eben ein Element der vernichteten, gerissenen (?) Schleuder bilden (Abb. 2 B, C). In der Chronik von Gallus Anonymus erscheint bei der Verteidigung von Głogów ein solcher Satz: Theotonici fundas cum lapidibus rotabant (MPH, В. 2). Dieses Fragment wird als „Die Deutschen haben mit den Schleudern mit Steinen gedreht” übersetzt (Anonim ... 1982). Die dort genannten Schleuder werden meistens als Belagerungsmaschinen interpretiert (B. Miśkiewicz 1957, S. 476 - 477, Fußnote 55). Auf eine andere Interpretationsmöglichkeit wurde schon früher hingewiesen (T. Nowak 1965, S. 26 - 61). Es ist nur zu betonen, daß diese als „mit den Schleudern gedreht” übersetzte Formulierung und der verwendete Pluralis eine größere Anzahl von Schleuderern und nicht Belagerungsmaschinen suggerierte. Ein Angriff der Schleuderer konnte in der Schlachtordnung erfolgen — in einer taktischen Formation, obwohl es keine organisatorische Fonnation der Schleuderer sein mußte. Die Verwendung des Begriffes fundas läßt zu vermuten, daß sich in der Zeit von Gallus Anonymus der Schleuder bediente. Eine Spur der Ausnutzung der Schleuderer während der Belagerung kann man z.B. bei der Beschreibung der Kämpfe bei Tesaloniki im Jahre 677 finden. Ein Meister (der Slawe) hatte den Projekt eines Belagerungsturms vorgelegt, wo sich auf einem der Stöcke die Schleuderer befinden sollten (nach: Z. Kurnatowska 1977, S. 77). Die Beweise dafür, daß die Schleuder und ihre Benutzung bekannt waren, kennen wir auch aus den ikonographischen Quellen. Auf einer der Szenen auf der Hülle aus Bayeux sehen wir die Jagd bei Verwendung einer Schleuder (Abb. 3D). Eine Abbildung aus dem 15. Jh. präsentiert dagegen einen Schleuderer mit einer am Gurt befestigten Tasche für die Wurfgeschosse. In derselben Abbildung befindet sich auch eine Rotationschleuder mit und ohne Griff (Abb. 3C). Die bekannteste Gestalt des Schleuderers ist wohl das Bildwerk von David von Michael Angelo (Abb. 3B). Die realistisch wiedergegebene Gestalt ist eine ausgezeichnete Illustration des Haltens einer Schleuder vor deren Gebrauch — vor der Einführung der Drehbewegung. Das Motiv des biblischen Davids ist auch auf dem Fuß des so genannten königlichen Kelchs aus Trzemeszno ersichtlich (Abb. 3А). Auf dem frühmittelalterlichen Gräberfeld in Dziekanowice, Fst. 22 (Gem. Łubowo, Woj. Poznań) traten in 11 (von 530) Gräbern die „Steinkugeln” auf, die als Wurfgeschosse für die Schleuder anerkannt wurden (Abb. 5) (A., J. Wrzesiński 1993, S. 178, Abb. 5). In allen bisher registrierten Gräbern kamen sie nur in einzelnen Exemplaren vor. Im Grab befanden sie sich an verschiedenen Stellen — sowohl in der Höhe des oberen als auch des unteren Körperteils. Meistens wurden sie in den Männergräbern (7) gefunden, die öfter im Alter Adultus (im 25 - 35 Lebensjahr) gestorben sind (5 von 7). Die Gräber mit der Bewaffnung sind Seltenheit (1 Schwert, 2 Pfeilspitzen, 2 „Rädchen des Panzerhemdes”, 11 Steingeschosse für die Schleuder) und ihre Anordnung ist unregulär (Abb. 7). Die Schädel von einigen Toten auf dem Gräberfeld in Dziekanowice haben Verletzungen infolge von verschiedenartigen Schlägen (A. Wrzesińska 1998). Unter ihnen befinden sich die Oberflächenwunden aber auch Trepanationsbohrungen (Abb. 6). Vielleicht sind diese geheilten Verletzungen, die den Tod direkt nicht bewirkten, infolge der Schläge mit einem aus der Schleuder herausgeworfenen Steingeschoß entstanden. Aus den ethnographischen Untersuchungen auf dem Gebiet Ozeaniens erfahren wir, daß die Schädel mit dem durch die Schleuderer herausgeworfenen Steingeschossen beschädigt werden konnten (A. Kozyra 1971, S. 137). Wir hatten Gelegenheit, in den TV-Reportagen aus den Unruhen in der Palästina die Ausnutzung der Rotationsschleuder gegen die modern bewaffneten Soldaten zu sehen. Zum Schleudern von sogar großen Steinen konnten die „Schleuder” auf langem Schaft dienen (Abb. 4). Die auf dem erwähnten Gräberfeld abgesonderten Gräber mit der „Waffe” erfolgen vielleicht aus der Einteilung der Bewaffneten in Polen der Piasten im 11.-12. Jh. Unter den auf diesem Gräberfeld bestatteten Toten konnten nur wenige zum Kreis der militärisch tätigen Personen gehören. Der mit einem Schwert bestattete Mann konnte an der Spitze einer Gruppe der Bewaffneten stehen. Einer zum Kampf vorbereiteten Gruppe, obwohl sich ihre Mitglieder für den Wochentag mit anderen Tätigkeiten beschäftigten. Zu ihrer Bewaffnung gehörte u.a. die Schleuder, die sowohl im Kampf als auch während der Jagt Gebrauch fand. Deshalb befanden sich die Steingeschosse (und vielleicht auch die nicht erhaltene Schleuder aus organischem Rohstoff) in den Gräbern. Wie es am Beispiel aus Dziekanowice ersichtlich ist, bedienten sich der Schleuder vor allem die Männer, aber auch die Frauen und Kinder. Die frühmittelalterlichen Schleuderer entlaufen der Chronikseiten und der gegenwärtigen Ikonographie. Die Beschreibungen und Illustrationen entstanden im Kreis mächtiger Leute, die an der Macht waren. Die Schleuder war und bleibt weiterhin die Waffe der Armen. Deshalb fehlt in den chronikalischen Aufzeichnungen an Beurkundung der Taten der Schleuderer. Der Bedarf an Betonung der Rolle von bewaffneten Truppen, Rittern sowie die Benutzung gewisser Schemen bei der Beschreibung der Schlächter, wo die Waffen eine gewisse Verzierung war, hatten zur Eliminierung der Schleuder geführt. Übrigens, was für Waffe es war — die Schleuder. Sie konnte sich jeder erlauben. Es genügte, ein Lederfragment auszuschneiden und einen entsprechenden Stein zu wählen. Sie war mit der Waffe der regulären Krieger (Ritter) völlig unvergleichbar. Zusätzlich zwangen die Übungen in der Bedienung der Schleuder zur individuellen Arbeit. Ungeschicktes Abschießen des Wurfgeschosses bedeutete ziemlich große Gefährdung für die Umgebung. Auf den Rang der Waffe und der Personen, die sich ihr bedienten, hatten u.a. der Preis, die Ausführungsart und die begleitende Ideologie (z.B. das Schwert, die Sporen, die ein Kennzeichen des Ritterstandes und eine Visitenkarte der Angehörigkeit einer bestimmten, bevorzugten Gruppe waren) einen Einfluß. Alles das bewirkt zusätzlich, daß eine Identifizierung der Schleuder als Waffe äußerst schwer und die Interpretation der Funden nicht eindeutig sind.