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2004 | 82 | 143-176

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Polityka okupantów wobec polskich dóbr kultury na Kresach Wschodnich Drugiej Rzeczypospolitej w latach II wojny światowej

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Die Politik der deutschen Besatzer gegenüber den polnischen Kulturgütern in den Ostgebieten der Zweiten Republik Polen in den Jahren des 2. Weltkrieges

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Der Überfall der UdSSR auf Polen am 17. September 1939 war eine totale Überraschung für die staatlichen Behörden und die Bürger der Zweiten Republik Polen, denn als Agressor brach die UdSSR damals die Bestimmungen des Rigaer Vertrages vom 18. März 1921, den polnisch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 25. Juli 1932, den Beitrittsakt der UdSSR zum Völkerbund vom 17. September 1934 sowie das polnisch-sowjetische Kommunikat vom 26. November 1938 über die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Vorausgesehen wurde nur der Krieg mit Deutschland an der Westfront, was bewirkte, daß die Ostgebiete auf die Kriegshandlungen überhaupt nicht vorbereitet waren. Die Archive, Bibliotheken und Museen - sowohl die staatlichen und die kirchlichen als auch die privaten - wurden nicht in Sicherheit gebracht. Die gesamte Evakuierungstätigkeit im Lande leitete Oberst Ludwik Bociański (der Wojewode von Posen), der am 4. September vom Premierminister zum Obersten Evakuierungskommissar und Generalquartiermeister der Regierung ernannt wurde. Aber die Evakulierung verlief völlig chaotisch und erbrachte nicht die von der Regierung der Republik Polen angenommenen und erwarteten Ergebnisse. Infolge des deutsch-sowjetischen Freundschafts- und Grenzvertrages vom 28. August 1939 wurden die polnischen Gebiete zwischen diese beiden Staaten aufgeteilt. Die Demarkationslinie verlief entlang der Flüsse Pisa, Narew, Bug und San. In einem geheimen Zusatzprotokoll verpflichteten sich beide Seiten zur Bekämpfung der polnischen Unabhängigkeitsbewegung. Außerdem erhielt die Slowakei, ein von Berlin abhängiger Satellitenstaat, Zips und Arva, und Litauen, das sich im sowjetischen Einflußbereich befand, wurde das Gebiet um Wilna zugesprochen. Die Politik der Besatzungsmächte in den polnischen Ostgebieten - der sowjetischen (1939-1941 und dann wieder ab 1944), der litauischen (1939-1940) und der deutschen (1941-1944) - strebte eine Depolonisierung dieser Gebiete an und zeichnete sich durch Feindschaft gegen alles, was polnisch war, aus. Nach der Besetzung der Ostgebiete der Zweiten Republik Polen durch die Rote Armee wurden damals mehr als 2000 Residenzen sowie mehrere Tausend Sakralobjekte geplündert und zerstört, und die dortigen Kulturgüter wurden ins Historische Museum in Moskau sowie ins Zentrale Antireligiöse Museum ebenfalls nach Moskau gebracht. Aus Wilna wurden - vom 19. September bis zum 27. Oktober 1939, d.h. vor der Machtübernahme der Litauer - die einzigartigen Sammlungen des Instituts für Osteuropaforschung aus den Beständen des Staatlichen Museums in Wilna sowie die Sammlungen der Wróblewski-Bibliothek nach Minsk abtransportiert. Einige Wochen lang lagen sie, nur mit Segeltuch abgedeckt, auf einem Bahnsteig in Bieniakonie, danach wurden sie nach Minsk gebracht und in Kellerräumen sowie auf Korridoren des Regierungspalastes deponiert. Viele dieser Kulturgüter wurde von Wasser überschwemmt, zerstört oder beträchtlich beschädigt. Vom Ausmaß der Plünderungen der Archive und Bibliotheken in Wilna durch die Russen zeugt die Tatsache, daß damals 18 Güterwagen mit Dokumenten in die UdSSR transportiert wurden. Auch die Kirchen wurden geplündert; geraubt wurden vor allem Glocken mit Denkmalswert, Bilder und Plastiken. Nicht einmal der Sarkophag von König Stanislaw August Poniatowski in der der Familie Czartoryski gehörenden Kirche in Wołczyn blieb verschont. Die Kirche wurde in ein Düngerlager des örtlichen Kolchos umfunktioniert, die Fresken wurden zerstört und der königliche Sarg geplündert. Die Familienarchive aus den Ostgebieten der Zweiten Republik Polen wurden von den Archiven in Minsk (für die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik) und in Lwow/Lemberg (für die Ukrainische SSR) in den Jahren 1939-1941 und vom Archiv in Wilna in den Jahren 1940-1941 (für die Litauische SSR) übernommen, einschließlich vieler sich in Privatsammlungen befindenden Kunstwerke, darunter auch Familienjuwelen, die dann die Schatzkammer des Kreml bereicherten. Die Pfarrer wurden gezwungen, die Kirchenbücher abzuliefern, die dann in den Zivilstandesämtern eingelagert wurden; während dcr Evakuierung im Sommer 1941 wurden die meisten von ihnen zerstört. Verbreitet war auch der Brauch von Vertretern der sowjetischen Behörden, sich verschiedene Dinge "als Andenken" mitzunehmen, wie dies u.a. in Nieśwież der Fall war. Von hier wurden allein im Jahrel939 154 Bilder aus der Radziwiłł Familiengalerie in Nieśwież nach Minsk gebracht und bereicherten dort die Sammlungen der Staatlichen Bildergalerie der Weißrussischen SSR. Die Zerstörung von Kulturgütern in den polnischen Ostgebieten nahm 1939 solche Ausmaße an, daß die sowjetischen Besatzungsbehörden durch Verfügung des Rates der Volkskommissare der Weißrussischen SSR vom 22. Dezember 1939 "das Abreißen von Baudenkmälern, die Zerstörung und Plünderung von Archiven und die Ausfuhr künstlerischer und archivalischer Wertgegenstände ohne Wissen und Genehmigung des Rates der Volkskommissare der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik" verbieten mußten. Damals wurde eine Regierungskommission zum Schutz Historischer und Kunstdenkmäler geschaffen. Die Akten der evakuierten polnischen Zentralbehörden, die der Roten Armee sowie den militärischen Einheiten des NKWD in die Hände fielen, wurden aus den von der UdSSR okkupierten Gebieten ins Landesinnere abtransportiert (hauptsächlich ins Zentrale Militärarchiv in Moskau und ins Moskauer Spezialarchiv ["Osobyj archiv"], wo bis in die neunziger Jahre hinein ein sogenannter. .Polskij troficjnyj fond" existierte). Die Archive, Bibliotheken und Museen in den von der UdSSR okkupierten polnischen Ostgebieten wurden 1940 verstaatlicht (darunter alle Lemberger Sammlungen!). Im Wilnaer Gebiet zerstörten die Okkupanten 1939 und 1940 viele private Familienbestände. Maria Wardyńska berichtet: "Zu den geraubten Gütern gehörten vorwiegend Familienporträts, Bilder, Keramik und Möbel - Antiquitäten, historische Andenken, Kupferstiche, Gobelins, Graphiken und Münzsammlungen. Die polnische Untergrundbewegung notierte, daß allein im Beziek Wilna die Besitztümer von Aleksander Chomiński, Kazimierz Dziekoński, Władyslaw Karczewski, Ludwik Mineyko, Franciszek Oskierka, Henryk Szafnagiel, Jan Szweykowski, der Familie Golimont (Andenken an Maryla Puttkamerowa), der Familie Kossakowski, der Familie Sołtan und der Familie Tyszkiewicz geplündert wurden. Gebraubt wurden auch die außerordentlich wertvollen Erinnerungsgegenstände an den bekannten Literaten und sich für das Bildungswesen verdienstvoll gemachten Michal Baliński aus dem Baliński-Palais in Jaszuny. Von besonderem Wert war seine Bibliothek, die über 3000 polnische Werke aus dem 16. und 17. Jahrhundert enthielt. Darunter befanden sich Statute, Wappenbücher und Chroniken sowie etwa eintausend Handschriften und Autographen, unter anderem ein Teil des Archivs der Philomaten. Aufbewahrt wurde dort auch das Familienarchiv, das Handschriften von Jan und Jędrzej Śniadecki, Ludwika Śniadecka und Juliusz Słowacki enthielt. Außerordentlich wertvoll war auch die Sammlung polnischer Münzen." Nach dem Überfall des Dritten Reiches auf die UdSSR am 22. Juni 1941 wurde für die von Moskau okkupierten Ostgebiete der Zweiten Republik Polen sowie für die besetzten Gebiete der UdSSR eine .Landesverwaltung der Archive, Bibliotheken und Museen beim Reichskommissar für die Ukraine" geschaffen. Eine analoge Einrichtung entstand auch im Reichskommissariat Ostland. In der Zeit der deutschen Besatzung wurden die Besitztümer der Stefan-Batory-Universität geplündert. Aus der Universitätsbibliothek wurden etwa 100.000 Bände fortgeschafft. Die 30.000 Bände umfassende Bibliothek des Römisch-Katholischen Priesterseminars in Wilna wurde im März 1942 von den Deutschen geschlossen. Ein Teil der Bibliothek wurde damals abtransportiert. Die etwa 150.000 Bände zählenden jüdischen Büchersammlungen wurden total vernichtet, mit Ausnahme ausgewählter Exemplare, die ins Reich geschickt wurden. Und in Lemberg raubten die Deutschen die Arbeiten von Hans Dürer. Die deutsche Okkupation in den Ostgebieten der Zweiten Republik Polen dauerte bis zum Sommer 1944. Damals begannen die deutschen Behörden - aus Furcht vor der von Osten her immer weiter vordringenden Roten Armee - mit der Evakuierung polnischer Kulturgüter nach Krakau und nach Schlesien. Der erneute Einmarsch der Roten Armee im Sommer 1944 in die Ostgebiete der Zweiten Republik Polen bot Gelegenheit zur weiteren Plünderung polnischer Kulturgüter und zu ihrer Überführung vor allem nach Moskau (Puschkin-Museum und zentrale Archive) und Leningrad (Eremitage, Öffentliche Saltykow-Schtsehedrin-Bibliothek sowie die Palais in Pawłowsk und Gatczyn), aber auch nach Kiew und Minsk. Außerdem wurde ein beträchtlicher Teil der von den deutschen Besatzern ins Reich geschafften polnischen Kulturgüter, die dort von der Roten Armee "befreit" wurden, massenweise mit Zügen in die UdSSR gebracht. Nur wenige kehrten nach dem Krieg als "Geschenk des sowjetischen Volkes" nach Polen zurück.

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Volume

82

Pages

143-176

Physical description

Dates

published
2004-12-15

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YADDA identifier

bwmeta1.element.ojs-doi-10_31743_abmk_9536
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