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Die Relikte aus dem frühmittelalterlichen Burgkomplex auf der Insel Ostrów Lednicki weckten schon im 19. Jh. ein großes Interesse. Die seit 1843 geführen vielseitigen Forschungen hatten auch die Aufstellung vieler interessanter Hypothesen zur Folge. Im Laufe langjähriger Untersuchungen wurden viele Funde aufgedeckt, unter denen sich auch ein kleines Holzfigürchen befand, das als der sog. „Bock von Lednica” bezeichnet worden ist. Der „Bock von Lednica” tauchte in der Fachliteratur dank Zenkteler auf, der an einer der durch die Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften zu Poznań in den Jahren 1862 – 1874 organisierten Forschungsexpeditionen teilgenommen hatte. Der Förderer dieser Untersuchungen war Albin Węsierski, der damalige Besitzer von Ostrów Lednicki. Seit 1874 erscheint der „Bock von Lednica” mehrmals in der archäologischen Literatur. In seiner Geschichte änderte er vielmals seine Ausmaße, manchmal auch sein Aussehen, Fundort und Zeitstellung. Man verband ihn mit der Fruchtbarkeitsmagie und dem Wiederaufleben. Die Bräuche von ähnlicher Bedeutung treten bis auf heutigen Tag in allen slawischen Ländern auf. Zu den Brauchen, in denen die Ziege eine wesentliche Rolle spielt, gehört auch die Fastnacht. In Groβpolen war auch das Tanzfest unter der Bezeichnung „podkoziołek” besonders Beliebt, das am Dienstag vor dem Aschenmittwoch veranstaltet wurde. Es gehörte dazu auch ein symbolisches Figürchen, das einen Bock darstellte (auch als Figürchen eines Nacktfroschknaben bezeichnet). Noch vor kurzem waren solche Spiele in dem am Lednica-See (woher die Holzschnitzerei stammt) liegenden Dorf Dziekanowice bekannt. Der sehr gute Erhaltungszustand des Fundes, keine Ausgrabungen in der Zeit und an der Stelle, wo der Fund vermutlich aufgedeckt wurde (in Imiołki — nach der ersten und frühesten Bearbeitung von Zenkteler), wie auch der heute noch lebendige Brauch des „podkoziołek” -Festes, sprechen eher dafür, daβ das besprochene Figürchen erst im 19. Jh. ausgefertigt worden ist. Auch das Kreuzzeichen auf dem Bauch des „Bockes” darf als ein im 19. Jh. übliches Schutzmotiv gegen das Böse betrachtet werden. Es ist anzunehmen, daβ dieses Holzfigürchen in die Sammlung des bekannten Sammlers Albin Węsierski als Beispiel der mit dem in Groβpolen traditionellen „podkoziołek” -Fest verbundenen Holzschnitzerei gelangte.