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Ein der interessantesten Funde aus der piastischen Residenz auf Ostrów Lednicki bleibt ein geschnitzer Kamm. Sowohl der Rohstoff, in dem er ausgeführt wurde (Elfenbein), als auch die Ausführungstechnik (ausgeschnitten aus einer Platte) und charakteristische Ornamentik (reich geschnitzte Plattenflächen sowie zwei Löwenfiguren an den Rändern des Kammrückens (??? grzbiet grzebienia) lassen es zu, ihn zu einer besonderen Kammgruppe zu zählen, die in der Literatur als liturgische Kamme bezeichnet wird, weil ihre Funktion mit den Tätigkeiten des Priesters (Haarkämmen) vor der Liturgie verbunden war. Der auf Hälfte des 11. Jh. datierte Kamm (freigelegt in der Nahe einer Kirche) ist ein seltener Fund auf dem Gebiet Polens. Auf dem Gebiet Rus’ gab es solche Kämme nicht. Liturgische Kämme aus Elfenbein kennen wir aus dem Gebiet Böhmens; in größerer Menge treten sie in Westeuropa aus und die ältesten konzentrieren sich auf dem Territorium Nordafrikas (Algerien, Tunesien, Ägypten — ab 5. Jh. n. Chr.). Aus den alexandrischen (eventuell syrischen) Werkstätten kamen diese Kämme auch nach Südeuropa (Venedig). Mit der Produktion dieser Erzeugnisse haben auch die byzantinischen Werkstätte früh begonnen. Mit der Zeit (höchstwahrscheinlich mit der Ausbildung der organisatorischen Kirchenstruktur) haben die Herstellung der Kämme die Merowinger-, Karolinger- (Metz) und Ottoner-Werkstätte übernommen. Weiterhin waren die byzantinischen Werkstätte tätig, deren geschnitzte Kämme sogar bis an das Chazarien-Territorium und Skandinavien drangen, woher ein identisch wie das Exemplar aus Lednica verzierter Kamm (Löwenfiguren) stammt. Die Kamme aus Ostrów Lednicki und aus Lund (Katalog-Nr.: 41 und 27) vertreten mit Sicherheit den identischen Werkstattkreis und sogar vermutlich dieselbe (eher eine byzantinische als eine syrische) Werkstatt. Das Exemplar aus Lednica weist auf den Zusammenhang mit einem Geistlichen vom hohen Rang hin, der in dieser wichtigen Fürsten- und Königsresidenz war, die auch die Funktion eines christlichen Kultzentrums (Baptisterium, Kirche) realisierte, also besondere, mit der Macht und Ideologie der frühen polnischen Monarchie verbundene Inhalte offenbarte.